Montag, 22. April 2013

Vollmondnacht im April

Nein, heute ist noch keine Vollmondnacht, sondern, wie jeder weiß, erst am 25. April. Aber der Mond ist schon rund und wartet ebenso ungeduldig wie ich, dass er sich in seiner ganzen Schönheit präsentieren kann. Eigentlich sind die Nächte vor dem Ereignis die geheimnisvollsten in jedem Monat. Vorfreude ist schließlich die schönste Freude. Ich kann es immer wieder aufs Neue kaum erwarten, bis es endlich soweit ist. Schlafen liegt in solchen Nächten für mich selten drin. Geschehen doch, den alten Sagen und Mythen zufolge, in diesen Nächten wunderliche Begebenheiten. Und weil mich Mystik und Märchen faszinieren, unternehme ich zu diesen Zeiten mit meinen Hunden Bambi und Cinderella, sobald es dunkelt, lange Spaziergänge. Die beiden haben einen feinen Sinn für überirdische Erscheinungen, sehen vermutlich auch die unsichtbaren Gestalten, die um uns herumumschwirren, dem menschlichen Auge jedoch verborgen bleiben.

Gestern Abend war die Luft lind und lau, roch nach Erde, frischem, grünem Blätterblut, Blumen, die der Lenz gebiert und erwachendem Leben. Vom Nachbargarten, in dem sich ein schlammiger Teich ausdehnt, hörte ich das Quaken der Frösche, die Nachtigall sang, ein paar Igel, gerade aus dem Winterschlaf erwacht, machten sich im Gebüsch am Futternapf unserer Katzen zu schaffen, schmatzten, scharrten mit den kleinen Trippelfüßchen. Der Himmel schien ein einziges Sternenzelt zu sein, aus dem mir Freund Mond verheißungsvoll entgegenwinkte.

Also machten wir uns auf den Weg, spazierten durch menschenleere Straßen und Gassen dem Ortsausgang zu. Vorbei am "Ilseder Holz", einem kleinen Wädchen, aus dem uns eine Eule ihren Unbill herausschleuderte. Überall knisterte und knackte es. Nachtgetier, das jetzt aktiv wurde. Längst hatte uns mein Heimatdorf seinen schützenden Steinmantel entzogen. Um uns herum nur taugetränkte Wiesen, weite Flur und Sumpfniederungen. Unermüdlich plätscherten die Wellen der Fuhse und Beeke, (Fluss und Bach, die wir jetzt erreicht hatten).

Plötzlich blieben Bambi und Cinderella stehen, spitzten die Ohren, horchten in die Dunkelheit, gaben keinen Laut von sich, ließen sich nicht bewegen, weiterzugehen, verharrten wie festgewurzelt.     
"Na, was ist los, ihr Bangebüxen?", fragte ich betont forsch und folgte ihren Blicken. Einbildung? Im Nebel, der aus dem Wiesengrund hochstieg, sah ich sie deutlich vor mir, über die ich nun in meinem kleinen Gedicht berichte:

                                   
                                                   Frühlingsnacht

                                          Jadegrüne Seejungfrauen
                                          tragen weiße Meerschaumkronen,
                                          tanzen durch der Flüsse Auen,
                                          wo die Wassermänner wohnen.

                                          Ihr Gesang durchdringt die Sphären.
                                          Unter Moos und Schilf verborgen,
                                          steuern sie die Silberfähren
                                          in das Traumland  ohne Morgen.

                                         Glockenhelle Stimmen klingen.
                                         Aus verwunschnem Nixenreich
                                         gleiten sie mit Glitzerschwingen
                                         in das Mondlicht. Elfengleich!

                                        Stör nicht ihren Zauberreigen.
                                        Lass den Nachtwind Blondhaar wiegen.
                                        Wenn sie in die Barke steigen,
                                        wird ein Glückshauch zu dir fliegen.   


Ich kniff mir in den Arm, um mich zu vergewissern, dass ich mich in der Wirklichkeit befand. Es zwiebelte ordentlich. Gebannt starrte ich auf die Wesen und ihre Tänze. Ich spürte den Glückshauch über die Haut in meine Seele eindringen. Nur wenige Minuten - dann war der Spuk vorbei. Meine Hunde rannten in wildem Galopp heimwärts, sodass ich nur mit Müh und Not hinterherkam. Zu Hause angekommen, wollte ich das Erlebte als Phantasterei abtun. Wahrscheinlich handelte es sich um Nebelfetzen, die durch das Gras grün verfärbt wurden, grübelte ich vor mich hin, suchte hektisch nach einer logischen Erklärung. Aber dann spürte ich erneut den Glückshauch, der bis heute anhält. Also war es kein Blendwerk gewesen. Und wieder einmal schien bewiesen, dass es viel Unerklärliches auf unserem blauen Planeten gibt.

Morgen werde ich mich wieder in die nächtlichen Auen begeben. Vielleicht zeigen sich die Nixen noch einmal, senden mir auch dann einen Hauch vom Glück? Wer weiß? Gebrauchen könnte ich ihn nur zu gut. Am besten täglich. Unverbesserliche Romantikerin? Yep. Bin ich. Und das ist auch gut so ...

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